Erving Goffman – Biografie, Stigmatisierung & Schlüsselwerke
Erving Goffman: Leben, Schlüsselwerke und seine Forschung zur Stigmatisierung – kompakte Biografie mit Einblicken in Asyls, Forms of Talk und Bedeutung für die Soziologie.
Erving Goffman (11. Juni 1922 – 19. November 1982) war ein kanadischer Soziologe und Schriftsteller, der den Großteil seiner akademischen Laufbahn in den Vereinigten Staaten verbrachte. Goffman prägte vor allem die Forschung zur sozialen Stigmatisierung und zur Mikro‑Soziologie des Alltagslebens. Seine Arbeiten verbinden dichte Beobachtungskultur mit klaren, oft bildhaften Konzepten, die in vielen Disziplinen – Soziologie, Sozialpsychologie, Anthropologie, Kommunikationswissenschaft – weiterwirken.
Leben und akademische Laufbahn
Goffman wurde 1922 in Mannville (Alberta) geboren und wuchs in einer jüdischen Familie auf. Er studierte am University of Toronto und promovierte 1953 an der University of Chicago, einem Zentrum der symbolischen Interaktionismus‑Tradition. Nach ersten Lehr- und Forschungsstationen in Chicago und an der University of California, Berkeley, wurde er 1968 Lehrstuhlinhaber für Soziologie und Anthropologie an der University of Pennsylvania, wo er bis zu seinem Tod lehrte.
Kernaussagen und zentrale Begriffe
Goffmans Forschung konzentriert sich auf die alltäglichen Interaktionen zwischen Menschen. Einige seiner wichtigsten Beiträge:
- Dramaturgische Metapher: Soziale Interaktion ist wie eine Bühnenaufführung. Menschen präsentieren sich bewusst (oder unbewusst) und steuern Eindrücke; zentrale Unterscheidung: Front stage (öffentliche Darstellung) vs. Back stage (Privatsphäre, Rückzugsraum).
- Impression Management: Techniken, mit denen Menschen das Bild, das andere von ihnen haben, beeinflussen.
- Stigma: Differenzierung zwischen dem bereits enttarnten Makel (discredited) und dem verdeckten, potentiell entdeckbaren Makel (discreditable); Strategien des Umgangs mit stigmatisierten Identitäten.
- Totalinstitutionen: Organisationen (z. B. psychiatrische Anstalten), die Leben und Identität der Insassen radikal strukturieren und bestimmte soziale Prozesse besonders deutlich machen.
- Frame Analysis: Analyse der Rahmen (Frames), mit denen Menschen Sinn erzeugen und Situationen interpretieren.
- Rituale und Interaktion: Aufmerksamkeit auf wiederkehrende, routinisierte Abläufe (z. B. Höflichkeit, „civil inattention“), die soziale Bindungen stabilisieren.
Methodik und Stil
Goffman arbeitete überwiegend auf der Mikroebene: dichte Beschreibungen, kurze Fallbeispiele und prägnante theoretische Einsichten statt umfangreicher empirischer Datensammlungen. Sein Stil ist dicht, oft aphoristisch und reich an Metaphern, was seine Texte sowohl anschlussfähig als auch kontrovers machte.
Wichtige Werke
- The Presentation of Self in Everyday Life (1956) – grundlegende Darstellung der dramaturgischen Perspektive und des Impression Managements.
- Asylums: Essays on the Social Situation of Mental Patients and Other Inmates (1961) – Untersuchung von Totalinstitutionen und Alltag in psychiatrischen Anstalten.
- Stigma: Notes on the Management of Spoiled Identity (1963) – wegweisende Analyse von Stigmatisierungsprozessen und Identitätsarbeit.
- Interaction Ritual: Essays on Face-to-Face Behavior (1967) – Sammlung von Aufsätzen über die Struktur kleiner Interaktionen.
- Frame Analysis: An Essay on the Organization of Experience (1974) – Theoretische Auseinandersetzung mit Deutungsrahmen.
- Forms of Talk (1981) – Sammlung kürzerer Texte zur Sprache und Gesprächsstruktur; das Buch wurde für einen Preis des National Book Critics Circle nominiert.
Wirkung und Nachwirkung
Goffmans Begriffe sind in vielen Feldern weiterverwendet worden: Untersuchungen zu Identität, Pflege und Gesundheit, Behindertenforschung, Medien- und Alltagsforschung bauen häufig auf seinen Einsichten auf. Auch in der populären Sprache sind Begriffe wie „Front stage“/„Back stage“ mittlerweile geläufig. Gleichzeitig werden seine Methoden kritisiert, weil sie oft wenig systematische Empirie liefern und Interpretationsspielraum lassen. Dennoch bleibt Goffman eine zentrale Referenz für das Verständnis von Interaktion, Identität und Stigma.
Persönliches und Tod
Goffman war bekannt für seine zurückhaltende, manchmal distanzierte Persönlichkeit, zugleich aber für seine scharfsinnigen Beobachtungen. Er starb am 19. November 1982 in Philadelphia an Magenkrebs.
Fragen und Antworten
F: Wer war Erving Goffman?
A: Erving Goffman war ein kanadischer Soziologe und Schriftsteller.
F: Worüber hat Erving Goffman geschrieben?
A: Erving Goffman schrieb über soziale Stigmatisierung.
F: Wann wurde das erste Buch von Erving Goffman veröffentlicht?
A: Das erste Buch von Erving Goffman wurde 1959 veröffentlicht.
F: Wie lautete der Titel des 1961 veröffentlichten Buches von Erving Goffman?
A: Der Titel des 1961 veröffentlichten Buches von Erving Goffman lautete "Asylums: Essays on the Social Situation of Mental Patients and Other Inmates".
F: Welche Position hatte Erving Goffman an der Universität von Pennsylvania inne?
A: 1968 erhielt Erving Goffman einen Lehrstuhl für Soziologie und Anthropologie an der Universität von Pennsylvania.
F: War das letzte Buch von Erving Goffman für einen Preis nominiert?
A: Ja, Erving Goffmans letztes Buch, "Forms of Talk", wurde für einen Preis des National Book Critics Circle nominiert.
F: Wie ist Erving Goffman gestorben?
A: Erving Goffman starb am 20. November 1982 an Magenkrebs.
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