Vetus Latina: Altlateinische Bibelübersetzungen vor der Vulgata

Vetus Latina — altlateinische Bibelübersetzungen vor der Vulgata: Entdecken Sie Textvarianten, liturgische Überreste und markante Unterschiede (z. B. im Pater Noster).

Autor: Leandro Alegsa

Vetus Latina bezeichnet keine einheitliche Übersetzung, sondern eine lose Sammlung frühlateinischer Bibeltexte, die in den ersten Jahrhunderten des Christentums im westlichen Sprachraum entstanden sind. Diese Übersetzungen wurden vor der Verbreitung und Standardisierung der Vulgata benutzt. Die Texte sind sprachlich dem Spätlatein zuzuordnen und unterscheiden sich oft deutlich im Wortlaut und in stilistischen Einzelheiten von der späteren Vulgata. Ein vollständiges vetus-latina-Bibelmanuskript ist nicht überliefert; viele Lesarten sind nur fragmentarisch oder durch Zitate in den Schriften der Kirchenväter, zum Beispiel von Augustinus von Hippo, bekannt.

Geschichte und Entstehung

Die einzelnen Vetus-Latina-Übersetzungen entstanden regional und zeitlich versetzt – vermutlich vom 2. bis ins 4. Jahrhundert. Für das Alte Testament dienten meist griechische Vorlagen wie die Septuaginta als Grundlage, für das Neue Testament griechische Handschriften. Weil es keine zentrale Redaktion gab, entstanden zahlreiche lokale Varianten (italische, afrikanische, gallicische Lesarten u. a.). Ende des 4. Jahrhunderts begann Hieronymus (Jerome) mit einer Revision und Neufassung lateinischer Bibeltexte, aus der schließlich die Vulgata hervorging; diese wurde in den folgenden Jahrhunderten weit verbreitet und löste die heterogenen alten Übersetzungen zunehmend ab.

Überlieferung und Handschriften

Von den ursprünglichen Vetus-Latina-Texten sind nur Teilhandschriften und Fragmente erhalten; viele Lesarten sind überliefert durch Zitate in patristischen Werken oder durch liturgische Bücher. Bedeutende Manuskripte mit altlateinischen Lesarten sind beispielsweise der Codex Vercellensis und der Codex Veronensis; auch der mehrsprachige Codex Bezae enthält westliche Textformen, die für die Forschung wichtig sind. Darüber hinaus haben sich vetus-latina-Formen in liturgischen Texten und Handschriften erhalten, sodass ganze Satzteile oder Formulierungen bis heute überdauern.

Textliche Merkmale und Beispiele

Charakteristisch für die Vetus-Latina-Texte ist ihre Vielfalt: oft finden sich einfachere Umgangssprache, regionale lateinische Wörter und unterschiedliche Übersetzungsstrategien (wortgetreu vs. frei). Solche Varianten sind für die Textgeschichte des Neuen Testaments und für die Entstehung der lateinischen Bibeltradition sehr aussagekräftig.

Ein bekanntes Beispiel für eine inhaltliche Abweichung betrifft die liturgische Glorifizierung in der Weihnachtsliturgie: Der altlateinische Wortlaut wird im Deutschen ungefähr so wiedergegeben: "Ehre [gehört] Gott unter den Hohen, und Frieden [gehört] den Menschen guten Willens auf Erden". Der Übergang zur Vulgata brachte eine leicht veränderte Lesart: "Ehre [gehört] Gott unter den Höchsten und Friede unter den Menschen guten Willens auf Erden".

Ein weiteres oft zitiertes Beispiel ist das Pater Noster: In vielen Vetus-Latina-Überlieferungen findet sich quotidianum panem ("tägliches Brot"), während die Vulgata meist supersubstantialem panem ("überlebensnotwendiges/übernatürliches Brot") überliefert. Solche Varianten zeigen, wie sich theologische Nuancen und liturgische Formulierungen wandelten.

Bedeutung für Forschung und Liturgie

Die Vetus-Latina-Texte sind für die Bibelwissenschaft, die Textkritik und die Geschichte der lateinischen Sprache von großer Bedeutung. Sie erlauben Rückschlüsse auf die frühen griechischen Textzustände, auf Übersetzungsgewohnheiten und auf regionale Ausprägungen des Christentums im Westen. Außerdem sind vetus-latina-Formeln in manchen Riten bis heute liturgisch präsent und haben so die Frömmigkeitstraditionen beeinflusst.

Seit dem Konzil von Trient gilt die Vulgata als offizielle Bibelübersetzung der römisch-katholischen Kirche, doch die wissenschaftliche Erschließung und kritische Edition der Vetus-Latina-Überlieferungen ist bis heute ein wichtiges Forschungsfeld. Herausgeber sammeln Handschriftenfragmente, vergleichen patristische Zitate und erstellen kritische Editionen, die die Vielfalt der altlateinischen Überlieferung dokumentieren.

Erhalt und Zugänglichkeit

Einige vetus-latina-Formen haben sich in der Liturgie erhalten und sind dadurch weiterhin bekannt und überliefert. Für Interessierte bieten moderne Editionen, Kommentierungen und wissenschaftliche Publikationen einen Zugang zu den Texten und ihren Varianten; sie liefern zugleich Material für die Rekonstruktion frühkirchlicher Bibeltexte und geben Einblicke in den Übergang vom regionalen Altlatein zur einheitlichen Vulgata.

Fragen und Antworten

F: Was ist Vetus Latina?


A: Vetus Latina ist eine Sammlung von Bibeltexten, die ins Lateinische übersetzt wurden, bevor die Vulgata die Standardversion in der lateinischsprachigen Welt wurde.

F: In welcher Sprache wurden die Texte der Vetus Latina verfasst?


A: Die Texte der Vetus Latina wurden in Spätlatein und nicht in Altlatein verfasst.

F: Wie unterscheiden sich die in der Vetus Latina verwendeten Wörter von der Vulgata?


A: Die in der Vetus Latina verwendeten Wörter unterscheiden sich oft von der Vulgata.

F: Gibt es vollständige Manuskripte der Vetus Latina?


A: Nein, es gibt keine vollständigen Manuskripte der Vetus Latina. Es sind nur Fragmente bekannt.

F: Woher wissen wir von vielen Textpassagen der Vetus Latina?


A: Wir kennen viele Textpassagen der Vetus Latina, weil Kirchenväter wie Augustinus von Hippo aus ihnen zitiert haben.

F: Seit wann ist die Vulgata die offizielle Bibelübersetzung der römisch-katholischen Kirche?


A: Seit dem Konzil von Trient, das im 16. Jahrhundert stattfand, ist die Vulgata die offizielle Bibelübersetzung der römisch-katholischen Kirche.

F: Was ist der Unterschied zwischen der Formulierung "tägliches Brot" in der Vetus Latina und in der Vulgata?


A: Die Formulierung "tägliches Brot" in der Vetus Latina wird in der Vulgata zu "überlebenswichtiges Brot".


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