Niederländische Malerei im Goldenen Zeitalter (17. Jh.) – Stil, Genres, Künstler

Niederländische Malerei im Goldenen Zeitalter (17. Jh.) – Stil, Genres & Künstler: Entdecken Sie Vermeer, van der Helst & Co., Techniken, Motive und historischen Kontext.

Autor: Leandro Alegsa

Es gab eine Zeit im 17. Jahrhundert, in der der niederländische Handel, die Wissenschaft und die Kunst zu den fortschrittlichsten in Europa gehörten. Diese Periode ist als das Goldene Zeitalter der Niederlande bekannt. Im Allgemeinen begann diese Periode in der zweiten Hälfte des Achtzigjährigen Krieges. Nach dem Krieg entstand die Niederländische Republik, die über Jahrzehnte hinweg zu den wohlhabendsten und kulturell aktivsten Regionen Europas zählte; mit politischer Unabhängigkeit (formell bestätigt 1648) und einer starken Handelsschifffahrt entwickelte sich ein großer Binnenmarkt für Kunst. Die historische Stilbezeichnung dieser Zeit wird meist dem Barock zugeordnet, doch die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts unterscheidet sich deutlich vom üppigen, monumentalen Barock des südlichen Europas: sie ist oft nüchterner, stärker auf natürliche Erscheinung und Details orientiert, und legt Wert auf Beobachtung und Alltagsrealismus. Viele der Gemälde dieser Zeit zeigen Szenen so, dass sie keinen übertriebenen Idealismus beanspruchen – stattdessen tritt Realismus, Genauigkeit im Alltäglichen und ein Interesse an Lichtwirkung in den Vordergrund. Zu den international bekannten Künstlern, die in dieser Epoche wirkten oder Wirkungen zeigten, zählen neben den bereits häufig genannten Peter Paul Rubens (der als flämischer Barockmeister wichtige Impulse gab), Rembrandt van Rijn, Frans Hals, Johannes Vermeer, Jan Steen, Jacob van Ruisdael, Pieter de Hooch, Rachel Ruysch, Clara Peeters, Paulus Potter, Willem van de Velde, sowie die in Ihrem Text erwähnten Bartholomeus van der Helst und Jacob van Loo.

Religiöse Themen und säkularer Schwerpunkt

In den Niederlanden des 17. Jahrhunderts gab es vergleichsweise wenige Gemälde mit großen religiösen Altarthemen. Ein Grund dafür war, dass die Mehrheit der Bevölkerung dem Calvinismus angehörte, dessen reformierte Kirchenpraktiken Bilder in liturgischen Räumen zurückdrängten und in vielen Regionen Bildersturm und eine starke Skepsis gegenüber Bildwerdung religiöser Inhalte ausgelöst hatten. Während großformatige kirchliche Bildprogramme selten wurden, blieben religiöse Motive im privaten Bereich -- oft in moralisch belehrender oder allegorischer Form -- präsent. In katholisch geprägten Gebieten und in Flandern wurden weiterhin Altargemälde und üppigere religiöse Werke geschaffen; die niederländische Republik dagegen förderte ein breiteres Spektrum weltlicher Bildinhalte.

Vielfalt der Gattungen

Die Zeit ist besonders bemerkenswert für die enorme Vielfalt spezialisierter Gattungen, die von niederländischen Künstlern perfektioniert wurden: Szenen aus dem bäuerlichen Leben, Landschaften und Stadtbilder, Tierdarstellungen, maritime Gemälde (als Spiegel der Handels- und Seemacht), Blumenstücke und zahlreiche Formen des Stilllebens. Stillleben reichen von einfachen Frühstücksstillleben bis zu prunkvollen Bankettszenen und vanitas-Motiven, die an die Vergänglichkeit erinnern. In der Genremalerei finden sich häusliche Interieurs, Wirtszenen, Marktszenen und lehrhafte Alltagsszenen – häufig mit subtiler moralischer oder humorvoller Pointe. Die Spezialisierung erlaubte es einzelnen Malern, sich in bestimmten Nischen einen Ruf aufzubauen (z. B. Blumenmalerinnen wie Rachel Ruysch oder Jagdstillleben von Frans Snyders).

Die Hierarchie der Gattungen und ökonomische Realität

Es gab die Vorstellung, dass manche Gattungen prestigeträchtiger seien als andere: die sogenannte Hierarchie der Gattungen. An oberster Stelle stand die Geschichtsmalerei (inklusive Allegorien und populär-religiöser Themen), dann Porträtmalerei (einschließlich der Tronie — charakteristische Kopf- oder Gesichtsdarstellungen), darauf Genremalerei, Landschaft und schließlich Stillleben. Obwohl viele niederländische Maler die Hierarchie kannten, konzentrierte sich der Markt auf die “niederen” Gattungen, weil diese sich besser verkauften. Die meisten Künstler mussten für ihren Lebensunterhalt Porträts oder Genreszenen anfertigen, selbst wenn sie historisch-heroische Themen schätzten.

  • Geschichtsmalerei, einschließlich Allegorien und populär-religiöse Themen.
  • Porträtgemälde, einschließlich der Tronie
  • Genremalerei oder Szenen des Alltagslebens
  • Landschaft, einschließlich Seelandschaften, Schlachtfelder, Stadtbilder und Ruinen.
  • Stilleben

Format, Materialien und Werkstätten

Die Niederländer bevorzugten oft kleinere, leicht verkäufliche Formate; großformatige monumentale Malerei war selten und beschränkte sich z. B. auf Gruppenporträts, besonders Schützen- und Bürgermilizengemälde (Schuttersstukken). Direktes Wandgemälde war kaum üblich; bei der Ausstattung öffentlicher Räume und bürgerlicher Säle wurden meist gerahmte Leinwände aufgehängt. Für Präzision verwendeten viele Maler Holztafeln (z. B. Eichenholz) lange weiter, obwohl ganz Westeuropa schon stärker auf Leinwand umgestiegen war. Kupferplatten nutzten einige Künstler für besonders feine Detailarbeit – oft handelte es sich um recycelte Platten aus der Druckgrafik. Ölmaltechniken reichten von feiner, dichter Pinselführung und glänzenden Glasuren der sogenannten fijnschilders (Feinmaler) bis zu loserer, expressiver Behandlung bei Rembrandt oder Hals. Für bestimmte Effekte wurden Kameralinsen (Camera obscura) als Hilfsmittel diskutiert — insbesondere bei der präzisen Raumperspektive und Lichtführung in Werken wie denen Vermeers.

Werkmarkt, Sammler und Verbreitung

Die Kunst war in den Niederlanden ein offener Markt: Händler, Auktionen, Kunstkammern und ein wohlhabendes Bürgertum sorgten für eine starke Nachfrage. Viele Städte hatten eine Malergilde (meist die Lukasgilde), die Ausbildung, Qualität und Markt regelte. Künstler arbeiteten in Werkstätten, manche als spezialisierte Einzelkünstler, andere in größeren Ateliers mit Schülern und Gehilfen, um Serienarbeiten zu produzieren. Kunst fungierte nicht nur als Statussymbol, sondern auch als Anlage. Druckgrafik und Reproduktionen verbreiteten Motive weit über die Niederlande hinaus, wodurch niederländische Vorstellungen und Stile Europa beeinflussten.

Skulptur, Keramik und andere Künste

Im Gegensatz zur Malerei war niederländische Skulptur im 17. Jahrhundert relativ zurückhaltend: Sie erscheint vor allem in Grabmonumenten, an öffentlichen Gebäuden oder als sakrale Ausstattungen dort, wo noch Bedarf bestand. Kleinplastiken für den Hausgebrauch fehlen weitgehend; ihre Funktion übernahmen Silberwaren, Zinn- und Keramikobjekte. Bemalte Delfterzeugnisse (oft preiswerte, weit verbreitete Keramik) waren populär, wenngleich selten künstlerisch herausragend; im Bereich der Silberarbeiten besaßen die Niederlande jedoch große Fertigkeiten, besonders im repräsentativen Tafelsilber.

Erhalt, Restaurierung und Nachleben

Viele Gemälde aus dem Goldenen Zeitalter wurden im 18. und 19. Jahrhundert übermalt oder verändert, weil es oft billiger war, ein vorhandenes Bild zu überarbeiten als eine neue Leinwand zu beziehen und einen Rahmen anzufertigen. Gleichzeitig hat die Druckgrafik und die hohe Produktionszahl dazu geführt, dass viele Arbeiten in Sammlungen und Museen erhalten blieben. Die internationale Wertschätzung der niederländischen Malerei stieg besonders im 19. und 20. Jahrhundert stark an und beeinflusst bis heute Museumspräsentationen und die Kunstgeschichte.

Nachwirkung

Die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts hinterließ ein großes Erbe: sie prägte Genredefinitionen, Handwerkstechniken und die Kultur des Kunstmarktes. Ihr Naturalismus, die differenzierte Behandlung von Licht und Materialität sowie die Vielfalt der Gattungen beeinflussten spätere Malergenerationen in Europa und bis in die Moderne. Die Werke Rembrandts, Vermeers, Ruisdaels und anderer werden weiterhin international ausgestellt, erforscht und geschätzt, da sie Einblicke in Gesellschaft, Alltagsleben und ästhetische Vorstellungen einer der dynamischsten Epochen der europäischen Kunstgeschichte geben.

Galerie

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Johannes Vermeer, Die Milchmagd (1658-1660)

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Frans Hals' Tronie, mit dem späteren Titel Gypsy Girl. 1628-30. Öl auf Holz, 58 cm × 52 cm (23 in × 20 in). Die Tronie enthält Elemente der Porträtmalerei, der Genremalerei und manchmal auch der Historienmalerei.

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Jacob van Loo, Danaë

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Paulus Potter, Der junge Stier (1647); 3,4 Meter breit. Ein ungewöhnlich monumentales Tierbild, das die Hierarchie der Gattungen in Frage stellt.

Fragen und Antworten

F: Welche Periode ist als das Goldene Zeitalter der Niederlande bekannt?


A: Das Goldene Zeitalter der Niederlande war eine Periode im 17. Jahrhundert, in der der niederländische Handel, die Wissenschaft und die Kunst zu den fortschrittlichsten in Europa gehörten.

F: Welche Art von Regierung gab es während dieser Zeit?


A: In dieser Zeit gab es die Niederländische Republik, die die wohlhabendste Nation in Europa war.

F: Was bedeutet 'Idealisierung'?


A: Idealisierung bedeutet, dass Gemälde Szenen schöner darstellen, als sie tatsächlich waren. Den niederländischen Gemälden dieser Zeit fehlte diese Eigenschaft oft.

F: Warum gab es in dieser Zeit nur relativ wenige religiöse Gemälde?


A: Es gab relativ wenige religiöse Gemälde in dieser Zeit, weil die meisten Niederländer Calvinisten waren und der Calvinismus religiöse Gemälde in Kirchen verbot.

F: Was ist die Hierarchie der Genres?


A: Die Hierarchie der Genres ist eine Theorie, die besagt, dass einige Arten der Malerei prestigeträchtiger sind als andere. Die Historienmalerei stand ganz oben auf der Liste, so dass viele Maler historische Gemälde anfertigen wollten, die sich aber nur schwer verkaufen ließen.

F: Auf welche Arten von Malerei konzentrierten sich die Niederländer besonders?


A: Die Niederländer konzentrierten sich stark auf "niedere" Kategorien wie Porträtmalerei, Landschaft, Stillleben und Szenen aus dem täglichen Leben.

F: Wie malten die Künstler zu dieser Zeit große Werke? A: Die meisten Gemälde dieser Zeit waren relativ klein, wobei Gruppenporträts zu den einzigen großen Werken gehörten, die von Künstlern geschaffen wurden. Das direkte Malen auf Wänden gab es kaum, und wenn doch, dann wurden normalerweise Leinwandrahmen verwendet, um auf einer harten Oberfläche zusätzliche Präzision zu erreichen.


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