Intonation in der Sprachwissenschaft: Definition, Funktionen & Typen

Intonation in der Sprachwissenschaft: Definition, Funktionen & Typen – Überblick zu Tonhöhenverläufen, pragmatischer Bedeutung, Frage-/Aussagesignalen und typologischen Unterschieden.

Autor: Leandro Alegsa

In der Linguistik ist die Intonation eine Variation der Tonhöhe beim Sprechen, die nicht zur Unterscheidung von Wörtern verwendet wird (vgl. Ton bei Tonsprachen). Intonation und Betonung sind zwei Hauptelemente der linguistischen Prosodie und tragen wesentlich zur Bedeutungsbildung und zur Strukturierung gesprochener Äußerungen bei.

Definition und Abgrenzung

Intonation bezeichnet die zeitliche Veränderung der Stimmlage (Pitch) über Wörter, Phrasen und ganze Sätze hinweg. Sie ist eine suprasegmentale Eigenschaft, das heißt, sie wirkt über einzelne Laute hinaus auf Silben, Wörter und Satzteile. Im Gegensatz zu Tonsprachen (z. B. Chinesisch, Hausa), in denen Tonhöhe lexikalisch-signifikant ist und Wörter unterscheidet, dient Intonation in nicht-tonalen Sprachen primär grammatischen, pragmatischen und emotionalen Funktionen.

Wichtige Funktionen der Intonation

  • Satztyp: Intonation hilft, Aussagen, Ja/Nein‑Fragen, W‑Fragen, Aufforderungen oder Ausrufe zu unterscheiden.
  • Informationsstruktur und Fokus: Über Intonationsakzente (Nukleus) wird hervorgehoben, welche Information neu, kontrastiv oder im Fokus steht.
  • Pragmatische Nuancierung: Ironie, Überraschung, Skepsis, Unsicherheit, Höflichkeit oder Direktheit können durch Intonation angezeigt werden.
  • Diskurs- und Interaktionsfunktionen: Intonation markiert Bekanntheit, Abschlüsse von Äußerungen, Fortsetzungswünsche oder Turn‑taking im Gespräch.

Grundtypen und Konturen

Man unterscheidet einfache Konturen wie steigend und fallend sowie zusammengesetzte Konturen:

  • Steigende Intonation: die Tonhöhe nimmt über die Zeit zu (z. B. bei manchen Ja/Nein‑Fragen oder Fortsetzungsanzeige).
  • Fallende Intonation: die Tonhöhe nimmt ab (typisch für Aussagen und viele W‑Fragen).
  • Fall‑Steig (fall-rise): zunächst fallend, dann wieder ansteigend — oft signalisiert sie Unsicherheit, Vorbehalt oder eingeschränkte Zustimmung.
  • Steig‑Fall (rise-fall / peak): ansteigend bis zu einem Peak und dann fallend — häufig bei hervorgehobenen Informationen oder starken Emphasen.
  • Plateau / Level: relativ konstante Tonhöhe über einen Bereich.

Beispiele und Illustrationen

Ein klassisches Beispiel ist die Unterscheidung Frage / Aussage. In vielen Varianten des nordamerikanischen Englisch ist die Intonation bei einer einfachen Aussage fallend, während eine Ja/Nein‑Frage oft eine steigende Endintonation aufweist:

He found it on the street?

[hiː ˈfaʊnd ɪt ɒn ðə ˈstriːtˀ˔↑]

He found it on the street.

[hiː ˈfaʊnd ɪt ɒn ðə ˈstriːtˀ˔↓]

Bei W‑Fragen ist in vielen Sprachen die Intonation auf dem Fragewort besonders ausgeprägt und die gesamte Frage endet oft fallend:

Where did he find it?

[ˈwɛər dɪd hiː ˈfaɪnd ɪt↓]

Es gibt jedoch erhebliche sprachliche und dialektale Variation: Einige Sprachen (z. B. Chickasaw, Kalaallisut) zeigen das umgekehrte Muster – steigend bei Aussagen und fallend bei Fragen. Innerhalb einer Sprache können Dialekte ebenfalls differieren (z. B. städtisches Belfast vs. Leeds im britischen/irischen Englisch).

Notation und Intonationsmodelle

Für die Beschreibung von Intonation gibt es verschiedene Notationssysteme:

  • Das Internationale Phonetische Alphabet (IPA) kennt einfache Markierungen für global steigende und fallende Intonationen (z. B. diagonale Pfeile), die an Silben angehängt oder mit Leerzeichen getrennt werden können.
  • Das bekannte ToBI‑System (Tones and Break Indices) und das autosegmantal‑metrische (AM) Modell arbeiten mit Ton‑Primitiven wie H (high) und L (low) sowie Akzentkennzeichnungen (z. B. H*, L*), die den Tonverlauf präziser aufgliedern (nukleare Akzente, Phrasentöne, Boundary‑Tones).

Messung und Analyse

Intonation wird akustisch meist über die Grundfrequenz (F0) gemessen und als Pitch‑Spur visuell dargestellt (z. B. mit Programmen wie Praat). Wichtige Messgrößen sind Start‑ und End‑pitch, Pitch‑Range, Tonhöhe relativ zur Sprecherhöhe und die Konturform. Experimentelle Forschung verbindet akustische Messungen mit Wahrnehmungsstudien, um zu klären, welche Intonationsmerkmale kommunikativ relevant sind.

Intonation vs. Ton

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Intonation und Ton: In Tonsprachen ist Ton lexikalisch oder grammatisch relevant (Vokabelunterschiede oder grammatische Formen). Intonation dagegen verändert nicht die lexikalische Identität eines Wortes, sondern die pragmatische oder prosodische Bedeutung einer Äußerung.

Praktische Hinweise und Bedeutung

Für Lernende einer Fremdsprache ist das Erlernen typischer Intonationsmuster zentral, um natürliche Sprechweise, Missverständnisse und ungewollte pragmatische Signale zu vermeiden. In der Sprachforschung hilft die Intonationsanalyse, Satzstruktur, Informationsfluss und soziale Bedeutungssysteme zu verstehen.

Weiterführende Konzepte

  • ToBI‑Annotationen und Transkriptionspraxis
  • Prosodische Hierarchie (Silbe – Fuß – Prosodische Wort – Intonationsphrase)
  • Zusammenhang von Intonation und Gestik

Die Intonation ist damit ein zentrales Element gesprochener Sprache: Sie ordnet Informationen, markiert Einstellungen und steuert soziale Interaktion. Weitere vertiefende Literatur findet sich in Handbüchern zur Prosodie und in Überblicksartikeln zu Intonationsmodellierung (z. B. Hirst & DiCristo, Hrsg.).

Fragen und Antworten

F: Was ist Intonation?


A: Intonation ist die Variation der Tonhöhe beim Sprechen, die nicht zur Unterscheidung von Wörtern dient.

F: Wie unterscheidet sich die Intonation vom Tonfall?


A: Der Ton wird zur Unterscheidung von Wörtern verwendet, die Intonation hingegen nicht.

F: Was sind die beiden Hauptelemente der sprachlichen Prosodie?


A: Die beiden Hauptelemente der sprachlichen Prosodie sind Intonation und Betonung.

F: Wie verwenden Sprachen die Tonhöhe semantisch?


A: Sprachen verwenden die Tonhöhe semantisch zur Betonung, um Überraschung oder Ironie zu vermitteln oder um eine Frage zu stellen.

F: Was bedeutet steigende Intonation?


A: Steigende Intonation bedeutet, dass die Tonhöhe der Stimme mit der Zeit zunimmt.
Eine abfallende Intonation sinkt und steigt dann wieder an, während eine spitze Intonation ansteigt und dann wieder abfällt.

F: Wie können Sie im Internationalen Phonetischen Alphabet global steigende und fallende Intonationen angeben?


A: Globale steigende und fallende Intonationen können mit einem diagonalen Pfeil angezeigt werden, der von links nach rechts [] steigt bzw. von links nach rechts [↘] fällt.


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