Wellenfunktionskollaps in der Quantenmechanik: Definition, Messung & Deutungen

Wellenfunktionskollaps erklärt: Definition, Messverfahren, Kopenhagener Deutung, Schrödingers Katze und Kontroversen verständlich aufbereitet – Theorie und praktische Messbeispiele.

Autor: Leandro Alegsa

Wenn ein wissenschaftliches Experiment richtig durchgeführt wird, wird es ein messbares Ergebnis liefern. Zu jedem Zeitpunkt wird sich das System (Experiment) in einem von mehreren möglichen Zuständen befinden. Am Ende wird sich das Experiment in einem Endzustand befinden. Zu jedem Zeitpunkt kann der Zustand des Systems gemessen werden.

In der Quantenmechanik durchgeführte Experimente funktionieren auf die gleiche Weise. Der Unterschied zur klassischen Mechanik besteht darin, dass zu jedem Zeitpunkt mehrere Zustände überlagert (überlappend) sind, um den Zustand zu beschreiben, in dem sich das Experiment befindet. Diese Zustände werden als Eigenzustände bezeichnet. Wie bei der klassischen Mechanik gibt es, wenn eine Messung durchgeführt wird, ein einziges Ergebnis. Dieses Ergebnis ist der Eigenwert eines der Eigenzustände. Dies bedeutet, dass die Messung die verschiedenen möglichen Zustände durch Addition zu einem einzigen Zustand reduziert. Nach der Messung befindet sich das System in dem Zustand, der gemessen wurde. In der Kopenhagener Interpretation wird diese Reduktion als Wellenfunktionskollaps bezeichnet. Der Kollaps ist einer von zwei Prozessen, durch die sich Quantensysteme in der Zeit entwickeln. Der andere ist die kontinuierliche Evolution über die Schrödinger-Gleichung.

Werner Heisenberg gehörte zu den ersten, die diese Situation in einem 1927 veröffentlichten Papier erklärten. Dieses Ergebnis ist umstritten. Erwin Schrödinger benutzte das Gedankenexperiment Schrödingers Katze, um diese Kontroverse zu zeigen.

Was genau bedeutet „Wellenfunktionskollaps“?

Formal gesprochen beschreibt die Wellenfunktion (oder Zustandsvektor) eines Quantensystems eine Superposition von Eigenzuständen: psi = sum_i c_i |i>, wobei die c_i komplexe Amplituden sind. Die Bornsche Regel besagt, dass bei einer Messung der Wert, der mit dem Eigenzustand |i> verknüpft ist, mit Wahrscheinlichkeit |c_i|^2 beobachtet wird. Der Kollaps ist dann der Vorgang, bei dem die Superposition instantan auf einen einzelnen Eigenzustand |i> reduziert wird, so dass das System nach der Messung diesen Zustand besitzt.

Wichtig ist, dass der Kollaps nicht durch die Schrödinger-Gleichung beschrieben wird, die eine deterministische und unitäre (d. h. nicht-aufhebende) Zeitentwicklung liefert. Der Kollaps wird in vielen Texten deshalb als zusätzlicher, nicht-unitärer Prozess eingeführt (man spricht auch vom Projektionspostulat oder von der Messpostulat von von Neumann).

Messung, Makroskopische Geräte und Dekohärenz

In der Praxis erfolgt eine Messung durch Wechselwirkung des Quantensystems mit einem makroskopischen Messgerät und der Umgebung. Durch diese Wechselwirkung werden die Phasenbeziehungen zwischen Teilen der Superposition sehr schnell zerstört — ein Vorgang, der als Dekohärenz bezeichnet wird. Dekohärenz erklärt, warum Interferenz zwischen unterschiedlichen Messresultaten nicht mehr beobachtbar ist und warum sich das Ergebnis wie ein klassischer Zustand darstellt.

Wichtig: Dekohärenz erklärt das Verschwinden von Kohärenz (also die praktische Ununterscheidbarkeit von Superpositionszweigen), sie beantwortet aber nicht allein die Frage, weshalb genau ein einzelnes konkretes Ergebnis ausgewählt wird. Deshalb bleibt die „Auswahl“ eines eindeutigen Ergebnisses (das sogenannte Einmaligkeitsproblem) eine zentrale offene Frage der Messproblem-Diskussion.

Hauptdeutungen und Alternativen

  • Kopenhagener Interpretation: Hier ist der Kollaps ein grundlegender physikalischer Prozess, der bei einer Messung auftritt. Die Wellenfunktion beschreibt nur Wahrscheinlichkeiten, und der Kollaps ist nicht weiter erklärt, sondern als Teil der Theorie angenommen.
  • Viele-Welten-Interpretation (Everett): Es gibt keinen echten Kollaps. Stattdessen verzweigt das Universum in verschiedene „Weltzweige“, in denen alle möglichen Messresultate realisiert werden. Jeder Zweig enthält eine Kopie des Beobachters, die ein bestimmtes Ergebnis wahrnimmt.
  • Bohmsche Mechanik (Pilot-Wave): Die Wellenfunktion entwickelt sich stets unitär, steuert aber zusätzlich „verborgene“ Teilchenpositionen, die deterministisch einen eindeutigen Messwert liefern. Es gibt hier keinen physikalischen Kollaps der Wellenfunktion.
  • Objektive Kollaps-Theorien (z. B. GRW — Ghirardi, Rimini, Weber): Diese schlagen vor, dass die Wellenfunktion spontan und zufällig kollabiert, mit einer Wahrscheinlichkeit, die für mikroskopische Systeme sehr klein, für makroskopische Systeme aber groß ist. So wird der Kollaps als realer physikalischer Prozess erklärt.
  • Dekohärenz-basierte Sichtweisen: Betonen, dass Wechselwirkung mit der Umgebung die praktische Unterscheidbarkeit von Ergebniszweigen bewirkt; oft kombiniert mit zusätzlicher Interpretation, um die Einmaligkeit des Ergebnisses zu erklären.

Experimentelle Aspekte

Direkte Beobachtung eines „Kollapsaktes“ ist schwierig, weil Messung selbst den Zustand verändert. Dennoch gibt es Experimente, die zentrale Elemente des Problems untersuchen:

  • Interferenz- und Doppelspalt-Experimente zeigen die Rolle der Kohärenz und wie Messung Interferenz zerstört.
  • Quanten-Zustands-Tomographie und schwache Messungen erlauben Einblicke in den Zustand vor und nach Messprozessen ohne vollständige Zerstörung der Superposition.
  • Tests der Bell-Ungleichungen und Versuche zur Messung der Nichtlokalität zeigen, dass Quantenkorrelationen nicht durch lokale verborgene Variablen erklärt werden können — dies hat Folgen für Auffassungen über Kollaps und Messung.
  • Experimente, die Dekohärenzzeiten messen, helfen zu verstehen, wie schnell makroskopische Superpositionen in praktische klassische Zustände übergehen.

Offene Fragen und Sachverhalte

  • Ist der Kollaps ein fundamentaler physikalischer Prozess oder nur eine effektive Beschreibung für unsere Erfahrung eines einzelnen Outcomes?
  • Gibt es eine objektive Grenze zwischen Quantemikro- und klassischem Makrobereich, bei der spontane Kollaps-Theorien eingreifen?
  • Wie lässt sich der Kollaps mit den Prinzipien der Relativität vereinbaren (Probleme mit nichtlokalen oder simultanen Kollapsvorstellungen)?
  • Welche Rolle spielt das Bewusstsein des Beobachters? In der Praxis wird dies von den meisten Physikern als unnötig angesehen; jedoch gibt es historische und philosophische Diskussionen hierzu.

Zusammenfassung

Der Begriff Wellenfunktionskollaps beschreibt die scheinbare Reduktion einer quantenmechanischen Superposition auf ein einzelnes Messergebnis. Während die Schrödinger-Gleichung eine stetige, deterministische Entwicklung beschreibt, wird der Kollaps häufig als zusätzliches, nicht-unitäres Postulat eingeführt. Alternative Deutungen und moderne Konzepte wie Dekohärenz, Viele-Welten, objektive Kollaps-Theorien oder die Bohmsche Mechanik bieten verschiedene Antworten darauf, ob und wie ein solcher Kollaps stattfindet. Die Frage bleibt ein aktives Forschungsfeld in Physik und Philosophie der Physik.

Fragen und Antworten

F: Was ist das messbare Ergebnis eines ordnungsgemäß durchgeführten wissenschaftlichen Experiments?


A: Das messbare Ergebnis eines ordnungsgemäß durchgeführten wissenschaftlichen Experiments ist der Zustand des Systems zu jedem Zeitpunkt.

F: Wie unterscheidet sich die Quantenmechanik von der klassischen Mechanik?


A: In der Quantenmechanik werden mehrere Zustände überlagert (überlappend), um den Zustand zu beschreiben, in dem sich ein Experiment befindet, während in der klassischen Mechanik nur ein Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt gemessen werden kann.

F: Was passiert, wenn eine Messung durchgeführt wird?


A: Wenn eine Messung durchgeführt wird, gibt es ein einziges Ergebnis, das der Eigenwert eines der Eigenzustände ist. Das bedeutet, dass die Messung die verschiedenen möglichen Zustände auf einen einzigen Zustand reduziert, indem sie addiert werden, und nach der Messung befindet sich das System in diesem einen Zustand, der gemessen wurde.

F: Welcher Prozess reduziert mehrere mögliche Zustände auf einen einzigen Zustand?


A: Der Prozess, bei dem mehrere mögliche Zustände auf einen einzigen Zustand reduziert werden, wird als Wellenfunktionskollaps bezeichnet.

F: Welches sind zwei Prozesse, durch die sich Quantensysteme im Laufe der Zeit weiterentwickeln?


A: Zwei Prozesse, durch die sich Quantensysteme im Laufe der Zeit weiterentwickeln, sind die kontinuierliche Evolution über die Schrödinger-Gleichung und der Kollaps der Wellenfunktion.

F: Wer hat diese Situation in Bezug auf Quantensysteme zuerst erklärt?


A: Werner Heisenberg war einer der ersten, der diesen Sachverhalt in Bezug auf Quantensysteme erklärte. Er veröffentlichte seine Erkenntnisse 1927.

F: Wie hat Erwin Schrödinger diese Kontroverse über den Kollaps der Wellenfunktion nachgewiesen?


A: Erwin Schrödinger nutzte sein Gedankenexperiment namens Schrödingers Katze, um die Kontroverse um den Kollaps der Wellenfunktion zu zeigen.


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