Festkörperchemie

Festkörperchemie, (auch Materialchemie genannt) ist die Untersuchung der Synthese, Struktur und Eigenschaften von Festphasenmaterialien. Sie konzentriert sich auf nicht-molekulare Feststoffe. Sie hat viel gemeinsam mit Festkörperphysik, Mineralogie, Kristallographie, Keramik, Metallurgie, Thermodynamik, Materialwissenschaft und Elektronik. Es konzentriert sich auf die Synthese neuer Materialien und ihre Charakterisierung.

Geschichte

Technologie hilft der anorganischen Festkörperchemie. Die Festkörperchemie arbeitet an der Herstellung kommerziell genutzter Materialien. Forscher dienen der Industrie und beantworten auch akademische Fragen. Im 20. Jahrhundert gab es viele wichtige Entdeckungen: Katalysatoren auf Zeolith- und Platinbasis für die Erdölverarbeitung in den 1950er Jahren, hochreines Silizium als Kernkomponente mikroelektronischer Geräte in den 1960er Jahren und "Hochtemperatur"-Supraleitung in den 1980er Jahren. William Lawrence Bragg erfand die Röntgenkristallographie in den frühen 1900er Jahren, was weitere Entdeckungen brachte.

Carl Wagner beschäftigte sich mit der Theorie der Oxidationsrate, der Gegendiffusion von Ionen und der Defektchemie. Diese Arbeit zeigte, wie Reaktionen auf atomarer Ebene im festen Zustand ablaufen. Aus diesem Grund wurde er manchmal als der "Vater der Festkörperchemie" bezeichnet.

Synthetische Methoden

Zur Herstellung von Festkörperverbindungen wird eine Vielzahl von synthetischen Methoden verwendet. Für organische Materialien, wie z.B. Charge-Transfer-Salze, arbeiten die Methoden nahe der Raumtemperatur und ähneln oft den Methoden der organischen Synthese. Redoxreaktionen werden manchmal durch Elektrokristallisation durchgeführt. Zum Beispiel können Bechgaard-Salze aus Tetrathiafulvalen hergestellt werden.

Ofen-Techniken

Für Materialien, die Hitze widerstehen können, verwenden Chemiker oft Hochtemperaturmethoden. Zum Beispiel verwenden Chemiker Rohröfen zur Vorbereitung von Schüttgütern. Damit lassen sich Reaktionen bis zu etwa 1.100 °C (2.010 °F) durchführen. Für höhere Temperaturen bis zu 2.000 °C (3.630 °F) verwenden Chemiker spezielle Geräte wie Öfen mit einem Tantalrohr, durch das ein elektrischer Strom geleitet wird. Solche hohen Temperaturen sind zuweilen erforderlich, um die Diffusion der Reaktanten zu induzieren. Dies hängt jedoch stark von dem untersuchten System ab. Einige Festkörperreaktionen laufen bereits bei Temperaturen von bis zu 100 °C (212 °F) ab.

Schmelz-Methoden

Chemiker schmelzen oft die Reaktanten zusammen und glühen dann später die erstarrte Schmelze. Wenn es sich um flüchtige Reaktanten handelt, werden die Reaktanten oft in eine Ampulle gegeben und dann wird die gesamte Luft entfernt. Häufig halten die Chemiker die Reaktantenmischung kalt (z.B. indem sie den Boden der Ampulle in flüssigem Stickstoff halten) und verschließen die Ampulle dann. Die verschlossene Ampulle wird dann in einen Ofen gegeben und einer bestimmten Wärmebehandlung unterzogen.

Lösungsmethoden

Lösungsmittel können verwendet werden, um Feststoffe durch Fällung oder Verdampfung vorzubereiten. Manchmal wird das Lösungsmittel unter Druck bei Temperaturen über dem normalen Siedepunkt verwendet (hydrothermisch). Bei Flussmittelmethoden wird der Mischung ein Salz mit relativ niedrigem Schmelzpunkt hinzugefügt, um als Hochtemperaturlösungsmittel zu wirken, in dem die gewünschte Reaktion stattfinden kann.

Gas-Reaktionen

Viele Feststoffe reagieren leicht mit reaktiven Gasen wie Chlor, Jod, Sauerstoff oder anderen. Andere Feststoffe bilden Addukte mit anderen Gasen (z.B. CO oder Ethylen). Solche Reaktionen werden oft in einem Rohr mit beidseitig offenem Ende durchgeführt, durch das das Gas strömt. Eine Variante davon besteht darin, die Reaktion in einem Messgerät wie einer thermogravimetrischen Analyse (TGA) ablaufen zu lassen. In diesem Fall können während der Reaktion stöchiometrische Informationen gewonnen werden. Diese Informationen helfen bei der Identifizierung der Produkte. (Durch genaue Messung der Menge jedes Reaktanten können Chemiker das Verhältnis der Atome in den Endprodukten erraten).

Ein Spezialfall einer Gasreaktion ist eine chemische Transportreaktion. Diese werden oft durch Zugabe einer kleinen Menge eines Transportmittels (z.B. Jod) in eine verschlossene Ampulle durchgeführt. Die Ampulle wird dann in einen Zonenofen gegeben. Mit dieser Methode kann das Produkt in Form von Einkristallen erhalten werden, die für die Strukturbestimmung durch Röntgenbeugung (XRD) geeignet sind.

Die chemische Gasphasenabscheidung ist auch eine weit verbreitete Hochtemperaturmethode zur Herstellung von Beschichtungen und Halbleitern aus molekularen Vorläufern.

Luft- und feuchtigkeitsempfindliche Materialien

Viele Feststoffe ziehen Wasser an (hygroskopisch) und/oder reagieren empfindlich auf Sauerstoff. Beispielsweise absorbieren viele Halogenide Wasser und können in ihrer wasserfreien Form nur untersucht werden, wenn sie in einer Handschuhbox gehandhabt werden, die mit trockenem (und/oder sauerstofffreiem) Gas, in der Regel Stickstoff, gefüllt ist.

Charakterisierung

Neue Phasen, Phasendiagramme, Strukturen

Da eine neue synthetische Methode eine Mischung von Produkten erzeugt, ist es wichtig, spezifische Festkörpermaterialien identifizieren und charakterisieren zu können. Chemiker versuchen, die Stöchiometrie zu ändern, um herauszufinden, welche Stöchiometrien zu neuen festen Verbindungen oder zu festen Lösungen zwischen bekannten führen. Eine Hauptmethode zur Charakterisierung der Reaktionsprodukte ist die Pulverdiffraktometrie, da bei vielen Festkörperreaktionen polykristalline Ingots oder Pulver entstehen. Die Pulverdiffraktometrie hilft bei der Identifizierung von bekannten Phasen in der Mischung. Wenn ein Muster gefunden wird, das in den Beugungsdatenbibliotheken nicht bekannt ist, kann versucht werden, das Muster zu indizieren, d.h. die Symmetrie und die Größe der Einheitszelle zu identifizieren. (Wenn das Produkt nicht kristallin ist, ist die Charakterisierung viel schwieriger).

Sobald die Einheitszelle einer neuen Phase bekannt ist, besteht der nächste Schritt darin, das Verhältnis der Elemente (Stöchiometrie) der Phase zu bestimmen. Dies kann auf verschiedene Weise erfolgen. Manchmal gibt die Zusammensetzung der ursprünglichen Mischung einen Anhaltspunkt, wenn man nur ein Produkt (ein einziges Pulvermuster) findet oder wenn man versucht hat, eine Phase mit einer bestimmten Zusammensetzung in Analogie zu bekannten Materialien herzustellen. Aber das ist selten.

Oft arbeiten Chemiker hart an der Verbesserung der synthetischen Methodik, um eine reine Probe des neuen Materials zu erhalten. Wenn Chemiker in der Lage sind, das Produkt vom Rest der Reaktionsmischung zu trennen, können die Chemiker das isolierte Produkt einer Elementaranalyse unterziehen. Andere Möglichkeiten sind die Rasterelektronenmikroskopie (REM) und die Erzeugung charakteristischer Röntgenstrahlen im Elektronenstrahl. Am einfachsten lässt sich die Struktur mit Hilfe der Einkristall-Röntgenbeugung auflösen.

Um die präparativen Verfahren zu verbessern, müssen Chemiker untersuchen, welche Phasen bei welcher Zusammensetzung und welcher Stöchiometrie stabil sind. Mit anderen Worten: Die Chemiker zeichnen das Phasendiagramm der Substanz. Ein wichtiges Hilfsmittel zum Auffinden der Phasendiagrammdaten ist die thermische Analyse wie DSC oder DTA und zunehmend auch, dank des Aufkommens der temperaturabhängigen Leistungsdiffraktion von Synchrotrons, die thermische Analyse. Eine bessere Kenntnis der Phasenbeziehungen führt oft zu einer weiteren Verfeinerung der synthetischen Verfahren, die den Zyklus wiederholen. Neue Phasen werden so durch ihre Schmelzpunkte und ihre stöchiometrischen Bereiche charakterisiert. Die Identifizierung der stöchiometrischen Domänen ist wichtig für die vielen Feststoffe, die nicht stöchiometrische Verbindungen sind. Die aus XRD erhaltenen Zellparameter sind besonders hilfreich, um die Homogenitätsbereiche der nicht-stöchiometrischen Verbindungen zu charakterisieren.

Weitere Charakterisierung

In vielen Fällen werden neue feste Verbindungen durch eine Vielzahl von Techniken aus der Festkörperphysik weiter charakterisiert.

Optische Eigenschaften

Bei nichtmetallischen Materialien versuchen Chemiker, ultraviolette/sichtbare Spektren zu erhalten. Im Falle von Halbleitern gibt das eine Vorstellung von der Bandlücke.

Elektrische Eigenschaften

Vier-Punkt- (oder Fünf-Punkt-) Sondenmethoden werden oft entweder auf Ingots, Kristalle oder gepresste Pellets angewandt, um den spezifischen Widerstand und die Größe des Hall-Effekts zu messen. Dies gibt Aufschluss darüber, ob es sich bei der Verbindung um einen Isolator, Halbleiter, Halbmetall oder Metall handelt und über die Art der Dotierung und die Mobilität in den delokalisierten Bändern (falls vorhanden). So erhält man wichtige Informationen über die chemische Bindung im Material.

Magnetische Eigenschaften

Die magnetische Suszeptibilität kann als Funktion der Temperatur gemessen werden, um festzustellen, ob das Material ein Para-, Ferro- oder Antiferromagnet ist. Dies sagt etwas über die Bindung im Material aus. Dies ist besonders wichtig für Übergangsmetallverbindungen. Im Falle der magnetischen Ordnung kann die Neutronenbeugung verwendet werden, um die magnetische Struktur zu finden.


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