Festival der neun Lektionen und Weihnachtslieder: Geschichte & Bedeutung
Entdecken Sie Geschichte, Bedeutung und Tradition des Festival der neun Lektionen und Weihnachtslieder – von 1880 bis zum berühmten King's College-Chor, ein festlicher Weihnachtsgottesdienst.
Das Festival der neun Lektionen und Weihnachtslieder ist eine besondere Form des Gottesdienstes, die traditionell zu Weihnachten in der anglikanischen Kirche gefeiert wird. Es besteht aus neun Lektionen (biblischen Lesungen); zwischen jeder Lesung wird ein Lied oder ein Chorsatz gesungen, entweder vom Chor allein oder gemeinsam von der ganzen Gemeinde. Die ausgewählten Lesungen erzählen in chronologischer Reihenfolge die Heilsgeschichte: von den frühen Erzählungen der Bibel – etwa dem Ungehorsam Adams – über Verheißungen und Propheten bis hin zur Ankunft des Jesuskindes. Dabei wechseln sich biblische Texte, Musikstücke, Gebete und oft eine kurze Ansprache ab.
Ablauf und typische Lesungen
Der genaue Wortlaut und die Reihenfolge der Lesungen können variieren, doch folgt das Festival meist einem klaren theologischen Bogen:
- Einführung in die Situation der Menschheit nach dem Sündenfall,
- Verheißungen des Messias in den alttestamentlichen Propheten,
- Erzählungen aus den Evangelien (Verkündigung, Geburt, Verkündigung an die Hirten, Besuch der Weisen) und
- eine abschließende Lobpreisung und Verkündigung des Evangeliums.
Geschichte und Verbreitung
Die Form des Gottesdienstes wurde von Edward White Benson, damals Bischof von Truro in Cornwall, 1880 zur Verwendung am Heiligabend eingeführt. Benson gestaltete die Feier bewusst einfach und klar, damit die biblische Erzählung von der Schöpfung bis zur Geburt Christi für die Gemeinde nachvollziehbar werde. Später trug der anglikanische Theologe und Dekan Eric Milner-White (King's College) Anfang des 20. Jahrhunderts maßgeblich dazu bei, das Format weiterzuverbreiten und liturgisch zu systematisieren.
Heute wird das Festival nicht nur in vielen anglikanischen Gemeinden gefeiert, sondern hat auch in anderen christlichen Traditionen Eingang gefunden – zum Beispiel in einigen römisch-katholischen und lutherischen Kirchen. Im Vereinigten Königreich ist das Modell inzwischen häufig das Standardformular für Weihnachtsliedergottesdienste an Schulen und in Gemeinden.
Das Festival in King's College, Cambridge
Der wohl bekannteste Gottesdienst mit neun Lektionen und Weihnachtsliedern findet jährlich im King's College in Cambridge statt. Die Chorlieder werden dort von dem weltberühmten Chor dargeboten; eine langjährige Tradition ist etwa, dass ein Junge des Chores die erste Strophe von "Once in Royal David's City" a cappella anstimmt. Dieser Gottesdienst wurde — dank seiner musikalischen Qualität und seiner festlichen Ausstrahlung — zu einem internationalen Ereignis und wird seit vielen Jahrzehnten von der BBC übertragen, wodurch er weltweit bekannt wurde.
Bedeutung und Besonderheiten
Das Festival der neun Lektionen und Weihnachtslieder verbindet biblische Lesung, Liturgie und Musik zu einem stringenten Erzählbogen. Es betont die Kontinuität der christlichen Heilserzählung und lädt zur inneren Sammlung und zum gemeinsamen Lobpreis ein. Für viele Gemeinden und Hörer ist es nicht nur ein religiöses Ereignis, sondern auch ein kultureller Höhepunkt der Weihnachtszeit: die Kombination aus vertrauten Liedern, besonderen Chorwerken und der stufenweisen Erwartung der Geburt Christi schafft eine feierliche Stimmung.
Regionale und historische Varianten führen dazu, dass die Auswahl der Lesungen und Lieder variiert, neue Kompositionen neben traditionellen Chorälen stehen und Gemeinden eigene Akzente setzen. Trotz dieser Vielfalt bleibt der Kern des Festes die erzählerische Verbindung zwischen Wort und Musik, die das Geheimnis von Advent und Weihnachten sinnlich und geistlich erfahrbar macht.

Die Anbetung der Heiligen Drei Könige (1634) von Peter Paul Rubens. Dieses Gemälde zeigt die Heiligen Drei Könige beim Besuch des Jesuskindes. Das Gemälde hängt hinter dem Altar in der Kapelle des King's College in Cambridge.
Gottesdienst am King's College, Cambridge
Das erste Festival of Nine Lessons and Carols am King's College in Cambridge fand am Heiligabend des Jahres 1918 statt. Die Musik beim ersten Gottesdienst wurde von Arthur Henry Mann geleitet, der von 1876 bis 1929 Organist war. Der Chor hatte 16 Diskantstimmen, was der Zahl entsprach, die laut Henry VI. bei der Gründung des Colleges vorhanden sein musste. Bis 1927 waren die Männer im Chor Chorgelehrte und Laienschreiber. Heute singen 14 Studenten des Choir of King's College, Cambridge, die Männerstimmen.
Der Gottesdienst wurde erstmals 1928 von der British Broadcasting Corporation ausgestrahlt und wurde seitdem, mit Ausnahme von 1930, jedes Jahr ausgestrahlt, sogar während des gesamten Zweiten Weltkriegs, obwohl die Glasmalereien aus der Kapelle entfernt wurden und keine Heizung vorhanden war. Der Gottesdienst ist heute etwas anders: nicht alle Lesungen stammen aus der Bibel. Die meisten Weihnachtslieder werden vom Chor gesungen. Im Allgemeinen sind es mehr als neun Weihnachtslieder. Der Gottesdienst beginnt mit dem berühmten Lied "Once in Royal David's City". Die erste Strophe wird immer als unbegleitetes Solo von einem der Jungen im Chor gesungen. Dem Jungen wird erst kurz vor Beginn des Gottesdienstes gesagt, dass er derjenige ist, der ausgewählt wurde, das Solo zu singen.
Seit 1982 ist der Musikdirektor Stephen Cleobury. Jedes Jahr beauftragt er einen Komponisten, ein neues Lied für den Chor zu schreiben. Der Gottesdienst endet mit dem Lied "O kommt alle, die ihr treu seid". Es folgt das Orgel-Freiwilligenlied: "In Dulci Jubilo" (BWV 729) von Johann Sebastian Bach und dann ein weiteres Orgelstück (das im Radio, aber nicht im Fernsehen zu hören ist).

Kapelle des King's College
Fragen und Antworten
F: Was ist das Festival der Neun Lektionen und Weihnachtslieder?
A: Das Festival of Nine Lessons and Carols ist eine Form des Weihnachtsgottesdienstes in der anglikanischen Kirche, bei der neun Lesungen vorgetragen und zwischen den einzelnen Lesungen Lieder gesungen werden.
F: Wer hat die Form des Gottesdienstes eingeführt?
A: Die Form des Gottesdienstes wurde von Edward White Benson, dem Bischof von Truro in Cornwall, für den Gebrauch an Heiligabend im Jahr 1880 eingeführt.
F: Welche Geschichte wird in dem Gottesdienst erzählt?
A: Die Geschichte wird vom Anfang der Bibel, in der Adam Gott nicht gehorcht, bis zur Ankunft des Jesuskindes erzählt.
F: Wird der Gottesdienst nur von anglikanischen Kirchen verwendet?
A: Nein, der Gottesdienst wird inzwischen von anderen Kirchen auf der ganzen Welt verwendet, nicht nur in anglikanischen Kirchen, sondern auch in einigen römisch-katholischen und lutherischen Kirchen.
F: Wo in Großbritannien ist der Gottesdienst zur Standardform für Weihnachtsgottesdienste in Schulen geworden?
A: In Großbritannien ist der Gottesdienst zur Standardform für die Weihnachtsgottesdienste an Schulen geworden.
F: Welches ist der bekannteste Nine Lessons and Carols-Gottesdienst?
A: Der bekannteste Nine Lessons and Carols-Gottesdienst ist der, der jedes Jahr zu Weihnachten im King's College in Cambridge stattfindet.
F: Wurde der Gottesdienst im King's College schon einmal im Fernsehen übertragen?
A: Ja, der Gottesdienst im King's College wird seit mehr als einem halben Jahrhundert von der BBC übertragen.
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